Herzlich willkommen,
ich freue mich, dass Ihr alle der Einladung gefolgt seid, 2 Jahre nach dem Oster-Event „Beyond Corona“ * gemeinsam die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens zu feiern und uns gemeinsam an die Erfüllung vieler über Ostern 2020 gesammelten Träume oder wenigstens den Einstieg in deren Umsetzung zu erinnern.
*) Hier ging es um die Aufgabe: Stell dir vor, es ist Ostern im Jahre 2022. Du blickst auf die zwei letzten Jahre zurück und denkst dir: “Die letzten zwei Jahre hätten wir nicht sinnvoller nutzen können, um aus der Krise eine Chance und aus unserer Welt einen lebenswerteren Ort zu machen!”
Denn vor zwei Jahren war während der Corona-Krise 2020 plötzlich möglich geworden, was noch zwei Monate zuvor als unrealisierbar galt.
Schon lange gab es die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Es ist ein Einkommen für alle Menschen,
- das Existenz sichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht,
- auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
- das ohne Bedürftigkeitsprüfung und
- ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert wird.
Das Bedingungslose Grundeinkommen war aber unvorstellbar, bis die Menschen gemerkt haben, dass die Vorbehalte dagegen im Kern unbegründet sind. Denn anlässlich der Corona-Krise stellten sie fest, dass Arbeit und Leistung nicht an dem dafür erzielten Einkommen zu bemessen waren, sondern ihr Wert für die Gesamtgesellschaft der richtige Maßstab ist. Ehrenamtliche, prekäre, häusliche und unangemessen niedrig bezahlte Arbeit war systemrelevant geworden und vor allem zeigte sich in der Krise, dass sich die Menschen auch in Quarantäne und trotz damit quasi verordneter Untätigkeit aus freien Stücken engagierten, ihre unverschuldete Arbeitslosigkeit oder fehlende Aufträge sie zwar existentiell bedrohten, aber nicht an Solidarität mit anderen hinderten.
Eine Flut von Petitionen öffnete vielen nicht nur in Deutschland, sondern europa- und weltweit die Augen, dass Erwerbseinkommen nicht durch eine gerade in der Politik viel zitierte „harte Arbeit“ automatisch garantiert war und staatliche Hilfen zwar für große Unternehmen gewährt wurden, aber bei den Freiberuflern, Solo-Selbstständigen, Familienversorgenden und somit bei den meisten Menschen gar nicht ankamen.
Der Unmut über die entwürdigende Beantragung und Gängelei im Zusammenhang mit – in einem Sozialstaat eigentlich selbstverständlichen – Unterstützungen einerseits und die Freigiebigkeit gegenüber Konzernen andererseits wurde immer größer.
Dabei hat doch jeder Mensch schon mit seiner Geburt erfahren, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen funktioniert. Denn nach einem kurzen Lebenszeichen erhalten Kinder – zumindest in den meisten zivilisierten Ländern wie Deutschland – liebevolle Zuwendung, Essen und Trinken sowie sonstige Versorgung, ohne sich vorher verpflichten zu müssen, dass sie einer Arbeit nachgehen werden, regelmäßig Schulungen besuchen oder Sozialdienste ableisten. Sie erfahren einen Vertrauensvorschuss, den später fast nur noch Vermögende genießen. Diesen billigt man einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrem Erbe, ihren Unternehmen usw. zu, während Erwerbslose unbedingt zu ihrem eigenen Wohle an die Hand genommen und notfalls mit Sanktionen zu einem vermeintlich besseren Verhalten gezwungen werden müssen.
Obwohl im deutschen Grundgesetz die „Würde des Menschen als unantastbar“ garantiert wird und insofern ein Grundeinkommen als Existenzsicherung geradezu das erste Grundrecht darstellt, hatte noch 2019 das Bundesverfassungsgericht die damals geltende Sanktionspraxis bei Sozialleistungen wie der Grundsicherung für grundsätzlich verfassungskonform beurteilt.
Der mit einem Grundeinkommen verbundene Paradigmenwechsel, nicht mehr arbeiten zu müssen, um leben zu können, sondern stattdessen leben und frei entscheiden zu dürfen, was man mit dem Leben anfängt, war in der deutschen Gesellschaft noch eher verpönt.
So war das Grundeinkommen oft als ungerecht bezeichnet worden, weil es angeblich im Gießkannenprinzip allen Menschen und nicht nur den vermeintlich wirklich Bedürftigen ausbezahlt wird. Ein Sozialstaat müsse sich vorrangig bzw. sogar ausschließlich um diejenigen kümmern, die sich nicht selbst helfen können. Doch in der Krise zeigte sich, dass die bisherige Grundsicherung und der mit Milliarden finanzierte so genannte Schutzschild die wirklichen Gießkannen waren, mit denen Hilfszahlungen willkürlich und ungerecht geleistet wurden.
Entweder waren einzelne Bevölkerungsgruppen komplett vom Leistungsbezug ausgeschlossen oder Anspruchsberechtigte waren technisch und intellektuell nicht in der Lage, die notwendigen Anträge zu stellen. Zudem sind selbst bei vorab aufwändig geprüften Auszahlungen spätere Rückforderungen dieser vermeintlichen „Zuschüsse“ nicht ausgeschlossen gewesen.
Eine zunächst bedingungslose Auszahlung eines die eigene Existenz sichernden Betrages an alle behandelt dagegen die Menschen gleichermaßen gerecht. Dabei ist eine nachträgliche Prüfung unverhältnismäßiger Zuwendungen überhaupt nicht ausgeschlossen. Dieser Ausgleich kann z.B. bei einer steuerlichen Veranlagung in Kenntnis aller individuellen Gesamteinkünfte erfolgen.
Das Bedingungslose Grundeinkommen ersetzt insofern nicht den Sozialstaat, wie von vielen befürchtet, sondern ergänzt und verbessert ihn, ja das Grundeinkommen vollendet den Sozialstaat überhaupt erst.
Das Grundeinkommen wäre bereits bei der Corona-Pandemie die beste Antwort auf die Krise gewesen. Sicherlich war damals wie heute ein Grundeinkommen nicht die Lösung aller Probleme, aber es ermöglicht einfache oder sogar optimale Lösungen.
Ein Zusammenleben auf Augenhöhe, eine gegenseitige Wertschätzung, leichtere Rücksichtnahme auf die Natur und die eigene Gesundheit sowie die Neubesinnung auf Werte jenseits von Wirtschaftswachstum und ungebremstem Fortschritt bescheren allen Menschen ein besseres Leben.
Nicht die Einkommensschwachen waren und sind die angeblichen Schmarotzer unserer Gesellschaft, sondern diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass unsere gesamtgesellschaftlichen Erfolge und Erträge bei einer viel zu kleinen Zahl von Begünstigten landen.
Eine gerechtere Verteilung des Vermögens und die Anerkennung, dass jeder Mensch eine bedingungslose Existenzberechtigung hat, die von vielen sogar als ein wesentliches Menschenrecht formuliert wird, ließen sich schon immer in einem Grundeinkommen umsetzen.
Die Erkenntnisse der seit vielen Jahren aktiven Grundeinkommens-Befürwortenden kamen jedoch für Corona zu spät. Denn z.B. die im April 2020 in Rekordzeit unterzeichnete Bundestagspetition wurde erst im Herbst nach der Krise überhaupt im Bundestagsausschuss behandelt und erwartungsgemäß auch dann nicht sofort umgesetzt.
Aber die Online-Petitionen mit mehreren hunderttausend Mitunterzeichnenden und die zusätzlich eingereichten Bundestagspetitionen – u.a. wurde eine von spontan fürs Grundeinkommen Begeisterten bei einem phänomenalen Hackathon erarbeitet – sowie die öffentliche Diskussion bei zuvor eher skeptischen Wissenschaftler:innen und in immer mehr Medien ließen die Stimmung in Richtung eines wenigstens befristeten Grundeinkommens kippen, auch wenn dieser Begriff noch gemieden und die Umsetzung eben zunächst nicht begonnen wurde.
Die Idee eines nun auch dauerhaften Grundeinkommens ließ den im Vorjahr erschienenen Zukunftsroman von Daniel Weißbrodt schneller als von ihm selbst erwartet Realität werden. Denn das in seinem „Kurzen Abriss der deutschen Geschichte 2022-2050“ beschriebene Motto sollte bereits am 1. April 2022 umgesetzt werden, nämlich „Wie das bedingungslose Grundeinkommen unser Leben und unsere Gesellschaft verändert hat“.
Heute ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, wie durch die Entkopplung der Arbeits- bzw. sonstigen Leistung vom Einkommen zur Existenzsicherung eine Kreativität bei den Menschen freigesetzt wurde, die letztlich sogar die Produktivität der Gesellschaft erhöht und auch den früheren Hauptprofiteuren unserer Wirtschaft zugutekommt.
So dürfte auch die uralte Neiddebatte schon bald ein Ende haben. Viel zu lange gönnte man seinem eigenen Nachbarn kein „unverdientes“ oder leistungsloses Einkommen etwa in Form von Sozialleistungen, während Vermietern und Aktionären wie selbstverständlich ihr ebenso „leistungsloses“ Einkommen zugebilligt wurde.
Die Einsicht hat gesiegt, dass ein Grundeinkommen nicht nur für Einzelne, sondern eben für alle, auch vermeintlich dadurch finanziell höher Belastete gut ist.
Lasst uns nun gemeinsam daran weiterarbeiten, dass mit dem Grundeinkommen das Bildungsniveau, die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben und der Schutz unserer Natur verbessert werden und der sozial-ökologische Wandel erfolgreich ist.
Wer sich noch wundert, warum das Bedingungslose Grundeinkommen nicht schon viel früher eingeführt wurde, ist herzlich eingeladen, die Gründe dafür in Kleingruppen oder auf einem der zahlreichen Treffen von Grundeinkommens-Initiativen zu erörtern.
Noch schöner ist es natürlich, die erfolgreichen Wege zum Bedingungslosen Grundeinkommen zu besprechen. Dafür stand und ich stehe ich auch weiterhin gern bundesweit zur Verfügung. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.
Joachim Winters (www.bge.jetzt) Ostern 2020 bzw. 2022
[…] Teilnahme per Telefon mit Festnetztarif möglich [2]. An Ostern vor zwei Jahren habe ich eine Rede zum BGE aus der fiktiven Sicht von heute gehalten. Auch wenn sie nicht rechtzeitig wahr geworden ist, mag sie doch gerade zum diesjährigen […]
LikeLike